Philosophie ohne Grenzen?
Erstellt von r.ehlers am Sonntag 23. August 2015
Jürgen Wiebicke, Moderator, WDR 5 Das philosophische Radio
Damit man nicht auf die Idee kommt, dass satt essen und gut unterhalten zu sein (panem et circenses) alles ist im Leben, natürlich mit der Maßgabe, dass die Gesundheit erhalten bleibt, dafür ist das Informationsradio WDR 5 da mit seiner von Jürgen Wiebecke klug moderierten Sendung „Das philosophische Radio“.
Seit Jahren höre ich als interessierter Feierabendphilosoph immer gern hin und lasse mich zum Nachdenken anregen.Ich schreibe hier einmal einen Satz darüber aber nicht allein um zu loben, sondern weil mich bei der Sendung – wie übrigens weitgehend beim ganzen modernen Pholosphiebetrieb – ein dauerhaftes Unbehagen umtreibt:
Seit eh und je vermisse ich (auch) bei Jürgen Wiebecke und seinen hochkarätigen Gästen die notwendige akribische Aufarbeitung der Grundlagen der Erkenntnis:
Erkenntnistheorie (Noetik), Epistemologie und Sprachphilosophie.
Ich baue doch auch kein Haus oder repariere an ihm nach dem Bezug an allen Ecken und Enden herum ohne in der Planung, der Errichtung und der lebenszeitigen Erhaltung des Bauwerks für ein sicheres Fundament zu sorgen!
Besonderen Anlass, mal wieder über die Möglichkeiten und die Grenzen der menschlichen Erkenntnis nachzudenken brachte das Gespräch, das Herr Wiebecke vor einigen Tagen auf WDR 5 mit der emeritierten Professorin für Philosophie an der Universität Freiburg, Frau Prof. Dr. Ute Guzzoni, führte. Ihre Meinung in Kurzfassung:
Das Nichts und die Nichthaftigkeit, sagt Frau Guzzoni, „durchstimmen“ die Dinge so, wie sie in der Welt sind. Sein und Nichts stehen nach ihrer Meinung in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, was sich zum Beispiel in der Sprache zeige, die immer ein „Dazwischen“ sei; und viele Dinge würden uns in ihrer Bedeutung erst durch ihre Abwesenheit bewusst. Zwischen dem Sein und dem Nichts gebe es unendlich viele Facetten – bis hin zu dem spannenden Augenblick des Fast-Nichts. Schwer zu verstehen, nicht? Jedenfalls eher blumig.
Frau Guzzoni weigerte sich, sich auf die von Hörern gestellte Frage nach dem Begriff des Nichts einzulassen. Man könne das Nichts ja nicht einmal denken (da allerdings hat sie wirklich recht!) .Statt dessen verwendet sie ihre eigene Begriffsneubildung der Nichthaftigkeit. Was das mehr sei als das Nichts, konnte sie indes nicht sagen. Dennoch erführen wir das Nichts aber als notwendigerweise zwischen den verschiedenen Phänomenen des Seins befindlich.Wenn beispielsweise zwischen zwei Menschen nicht eine Distanz bestünde, ein Zwischenraum, in dem weder der eine noch der andere existiert, wären sie ja nicht mehr getrennt, sondern eine Einheit. Wirklich? Und wie ist das mit Verschränkungen? Das Nichts also als Abgrenzung zwischen verschiedenen Seinsweisen und damit ein notwendiger Bestandteil des Seins?
Das kluge Internetlexikon Wikipedia sagt ein paar aufhellende Sätze zum Denkansatz von Frau Guzzoni- oder sollte man sagen, zu ihrer Weigerung, die Welt denkend zu erfahren:
„Ute Guzzoni versucht aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Akzentuierungen Grundzüge unseres menschlichen Seins in einer Welt jenseits des Subjekt-Objekt-Verhältnisses aufzuzeigen. Dieses „landschaftliche“ Denken ist geprägt von Anderssein, Gegensätzlichkeit und Zufall. Es verlässt bewusst die traditionelle Ebene abstrakten Philosophierens und sucht seine Evidenzen in Bildern (etwa von Sternen und Steinen), in Geschichten (z. B. von Odysseus) und elementaren Erfahrungen (wie denen von Wasser und Wüste). Ihre Reflexionen etwa zu Anderssein, Vielfalt, Miteinandersein bleiben – sowohl im Ausgang von Gedichten wie in der Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition – im Bereich konkreter Erfahrungen.“ (Fettdruck von mir).
Ein Hörer der Sendung brachte dazu die Einwände, die auch mich bewegen und die bei logisch-kritischer Betrachtung wohl zwingend sind. Die Kommunikation zwischen uns Menschen kann ohne die Begriffe der Sprache nicht weit kommen.Als Menschen mit einem ausgeprägten Sozialtrieb (Sozialhormon Serotonin!) drängt es uns danach, eindrucksvolle Bilder, bewegende Geschichten und sinnliche Grunderfahrungen, mit anderen zu teilen. Ob es nun daran liegt, dass die Kommunikation über diese konkreten Erfahrungen die Distanz vom einen zum anderen durch einen Raum des Nichts, also der Nichtkommunkation hindurch verlaufen muss, oder ob es daran liegt, dass ohne Sprache keine verifizierbaren Details vermittelbar sind, so ist doch sicher, dass wir auf diesem Wege weder die Welt erfassen noch sie mit anderen über einige basale Enpfindungen hinaus teilen können.
Die verbleibende Grundfrage nach den Möglichkeiten bzw. den Grenzen der menschlichen Erkenntnis – m i t dem Einsatz der Sprache und der Gesetze der Logik – bleibt unbeantwortet. Das indessen wundert micht nicht. Mich wundert nur, wie sich trotz der Erkenntnis der Grenzen der Erkenntnis spätestens seit Kants Kritik der reienen Vernunft immer wieder großartige philosophische Welterklärungen aufkommen, die so tun als gälten diese Grenzen für sie nicht.